Erste Ansichtskarte von 1870
Erste Ansichtskarte von 1870, Foto: pixabay

Am 30. Juli wird weltweit an die Geschichte der Postkarte erinnert. Seit über 150 Jahren ist sie ein fester Bestandteil zwischenmenschlicher Kommunikation. Der aus Deutschland stammende Weltpostkartentag wurde 2012 eingeführt und bietet Gelegenheit, Erinnerungen zu teilen – ganz ohne digitalen Filter. Postkarten erzählen Geschichten, senden Grüße und schaffen Nähe. Besonders bedeutend: Die erste bebilderte Karte wurde am 16. Juli 1870 von August Schwartz verschickt.

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August Schwartz und die erste Ansichtskarte

Als "Erfinder" der Bildpostkarte gilt der Oldenburger Buchhändler August Schwartz. Am 16. Juli 1870 verschickte er eine mit einem kleinen Kanonier bedruckte Karte an seine Schwiegereltern in Magdeburg. Diese sogenannte „Correspondenz-Karte“ markiert einen wichtigen Meilenstein, auch wenn Postkarten als solche bereits zuvor in Österreich bekannt waren.

Die eigentliche Geburtsstunde der Postkarte beginnt in Wien. Dort veröffentlichte der Nationalökonom Emanuel Herrmann am 26. Januar 1869 in einer Tageszeitung einen Artikel, der die Postkarte als neue Form der Kommunikation empfahl. Kurz, unkompliziert und günstig – diese Merkmale überzeugten. Bereits am 1. Oktober desselben Jahres führte die österreichisch-ungarische Post die erste offizielle „Correspondenz-Karte“ ein.

Diese frühen Karten waren noch schmucklos. Eine Seite war ausschließlich für den Text, die andere für die Adresse bestimmt. Bilder gab es nicht. Trotzdem sind sie heute unter Sammlern äußerst gefragt. Der Hamburger Händler Andreas Polster erklärte 2019, dass diese Stücke inzwischen seltene Raritäten darstellen. Sein Laden „Polster & Rutsch“ bietet auf 180 Quadratmetern tausende Karten in Kisten, Alben und Katalogen – ein Eldorado für Liebhaber vergangener Zeiten.

Wien und die Hochzeiten der Postkarte

In Wien war die Postkarte um 1900 das schnellste Medium ihrer Zeit. Bis zu siebenmal täglich wurde sie zugestellt. In der Stadt dauerte es im Schnitt zwei Stunden von Absender bis Empfänger. Besonders in der Zeit des deutsch-französischen Krieges (1870–1871) zeigte sich ihre Bedeutung. Die sogenannte Feldpostkarte ermöglichte kostenlosen Kontakt zwischen Soldaten und Familien. Der typische Gruß lautete knapp: „Ich lebe noch.“

Ab den 1890er-Jahren begann ein neues Kapitel. Verlage entdeckten die Postkarte als Trägermedium für Bilder. Zunächst mit Zeichnungen, dann mit Fotografien – vor allem Stadtansichten wurden populär. Jeder Ort, ob klein oder groß, hatte bald eigene Motive. Urlaubsregionen profitierten besonders. Die Menschen notierten Grüße um das Bild herum, denn die Rückseite war weiterhin nur für die Adresse vorgesehen.

Im Jahr 1904 kam es zu einer entscheidenden Veränderung. Der Teilungsstrich wurde eingeführt. Ab sofort durfte links der Text und rechts die Adresse stehen. Damit wurde die Rückseite zum Hauptkommunikationsbereich, und die Bildseite blieb unbeschrieben. Diese Änderung verstärkte die Beliebtheit der Karten zusätzlich.

Die Sammlung als Leidenschaft

Heute ist das Sammeln alter Postkarten ein Nischenhobby. Während es in den 1980er-Jahren allein im Raum Hamburg noch 130 Fachgeschäfte gab, sind es heute weniger als zehn. Dennoch bleibt die Faszination bestehen. Andreas Polster betreibt eines der letzten Geschäfte in diesem Bereich und sieht nach wie vor reges Interesse. Dabei muss ein Sammler nicht selbst schreiben – Polster selbst greift im Urlaub lieber zum Smartphone und verschickt eine WhatsApp.

Besonders gefragt sind Karten mit ungewöhnlichen Motiven. Postkarten dienten auch der Berichterstattung: Unfälle, Brände oder kuriose Szenen fanden ihren Weg aufs Papier. Sie spiegelten nicht nur private Grüße, sondern auch gesellschaftliche Ereignisse wider. In ihrer Blütezeit zwischen 1895 und 1918 wurden allein in Deutschland rund 1,2 Milliarden Karten jährlich verschickt.

Postkarte oder Selfie?

Die Postkarte hat im digitalen Zeitalter an Bedeutung verloren, aber nicht an Reiz. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom aus dem Jahr 2024 wollen 46 Prozent der Deutschen weiterhin Urlaubsgrüße per Post verschicken. Gleichzeitig setzen viele auf Apps, mit denen sich digitale Karten gestalten und postalisch versenden lassen.

Trotz E-Mail, Messenger und sozialen Netzwerken bleibt die Postkarte etwas Besonderes. Sie schafft Verbindungen, die digital oft nicht erreicht werden. Der begrenzte Platz zwingt zur Auswahl der Worte – und genau darin liegt ihre Stärke. Auch wenn heute das Selfie beliebter ist, wird die Postkarte ihren Platz in der Kommunikationsgeschichte behalten.

 Quelle: NDR